Fashionet Austria

Auf Tuchfühlung mit den Launen des Geschmacks

Die Zeiten sind wechselhaft, die Mode ist es auch. Welche Ideen sich durchsetzen, was am Markt funktioniert und was die Kunden nicht akzeptieren – es ist schwer vorhersehbar. Für Fashion-Victims mag darin ein besonderer Reiz liegen, ist es doch immer wieder überraschend, woraus die Designer der großen und kleineren Marken schöpfen und welche Art von Bekleidung den Weg in die Geschäfte findet. Für die Textillogistiker, die für diesen Weg zuständig sind, entscheidet der Erfolg einzelner Designer dagegen mit über Wohl und Wehe des Geschäfts. Wenn die Designer eines Produzenten erfolgreiche Kollektionen präsentieren, dann ist das auch gut für den Umsatz der Spedition.

Liegen die Modefirmen mit dem, was sie in die Geschäfte bringen, daneben, leidet das Transportunternehmen mit. Zu dieser Unwägbarkeit kommt, dass das Transportgut empfindlich ist und dass überall dort, wo Kleidungsstücke hängend und damit besonders schonend transportiert werden, zugleich viel Luft mitbefördert wird. Und für die bezahlt bekanntlich niemand. Für den Erfolg am Markt braucht also auch die Textillogistik innovative Ideen.

Geteiltes Leid, doppelte Freud
Die Fashionet Austria ist ein europaweites Logistik- und Distributions-Netzwerk, das auf die Anforderungen des Geschäfts vor allem mit Erfahrung reagiert – und mit der guten Infrastruktur der Konzernmütter Gebrüder Weiss und Lagermax. Das 1997 gegründete Unternehmen wird geleitet von Michael Jahn und Michael Eberl (beide Geschäftsführung) sowie Karl Tordy (Produktmanagement) und ist hauptsächlich in Österreich und im umliegenden Ausland aktiv. Kerngeschäft ist der Hängetransport. Damit kann ein Fahrzeug aber gerade in strukturarmen Regionen nicht optimal ausgelastet werden, denn die Mengen, die von A nach B gebracht werden müssen, sind dafür nicht groß genug. Diesem Umstand begegnet die Fashionet in Österreich mit einer Partnerschaft mit DPD. Denn auch im Paketgeschäft gibt es starke saisonale Schwankungen, mit hohen Mengenspitzen in den drei Monaten vor Weihnachten. Solche Spitzen im Aufkommen gibt es bei der Fashionet auch, allerdings zu anderen Zeitpunkten, jeweils zu den Kollektionswechseln von Jänner bis Ostern und dann wieder im August und September. Die Idee, in den DPD-Fahrzeugen, die auch in entlegenere Gebiete fahren, eine Kleiderstange anzubringen und die Textilien gemeinsam mit den Paketen auf die Reise zu schicken, ist schlicht – aber bestechend. In urbaneren Gegenden ist dagegen der eigene Fashionet-Fuhrpark unterwegs.

Daunen bevorzugt
Jahn und Tordy bezeichnen sich selbst als nicht modeaffin. Eine Ahnung von Trends haben die beiden trotzdem. Denn einerseits beobachten sie, wie es den Kunden geht und wie sie sich entwickeln, andererseits müssen die beiden nur einen Blick in das Lager werfen, um die Kollektionen zu sehen, noch ehe sie in den Geschäften hängen. Und da fallen vor allem bestimmte Farbtrends auf. Bei den Stoffen würden die beiden Textillogistiker stets feiner Seide den Vorzug geben, denn die erfordert eine besonders behutsame Behandlung, und man sollte sie nicht in einen kleinen Karton hineinquetschen. Kunstfaser hingegen ist unkompliziert und daher vielleicht für die Trägerin oder den Träger günstig, für den Textillogistiker eher nicht. Dasselbe gilt für Steppjacken. Daunenjacken sind wiederum gern gesehen, passen doch aufgrund des Volumens nicht allzu viele auf engen Raum. So hat eben jeder seine Lieblingsstücke, auch ein Spediteur.

Im Lager hängt, was kommt – im Frühjahr 2018 ist es offenbar Pastell

Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen
Für die Glättung von Textilien steht im Lager der Fashionet ein Dampftunnel bereit, durch den bis zu tausend Kleidungsstücke pro Stunde geschickt werden können. Denn auch wenn der Transport und die korrekte Einlagerung von textilen Waren die wichtigste Säule im Geschäft von Fashionet darstellen, sind weitere Dienstleistungen erhältlich, etwa die Kommissionierung oder eben die Aufbereitung. Und der Dampftunnel glättet nicht nur, er nimmt den Textilien auch Gerüche. Denn hin und wieder kommt es vor, dass etwa Ausdünstungen von Reinigungsmitteln, mit denen die Transportcontainer desinfiziert werden, in den Kleidungsstücken hängen bleiben. Spätestens dann ist eine Dampfbehandlung notwendig, so gerade erst geschehen mit 60.000 StillBHs aus Fernost. Die kamen stark geruchsbelastet bei der Fashionet an und wurden Stück für Stück durch den Tunnel geschickt – gut fürs Geschäft. Denn ohne diesen Service hätten die Teile nicht in den Verkauf gehen können.

Schlecht fürs Geschäft ist dagegen der Zuwachs im Bereich ECommerce, der auch dem Fachhandel zu schaffen macht. Als Karl Tordy vor zwei Jahrzehnten im Unternehmen anfing, war die Verkaufsstruktur noch ganz schlicht: Die Kleidungsstücke gingen vom Produzenten in den Facheinzelhandel. Als Konkurrenz kamen die großen Ketten hinzu, und mittlerweile wird sowohl über den Facheinzelhandel und die Ketten als auch immer mehr über das Internet verkauft. Die Zeiten werden also nicht einfacher. Aber selbst wenn der Fachhandel weiter zurückgeht und die innerstädtischen Einkaufszonen einander immer ähnlicher werden, verzichten zumindest die großen Modeketten auch weiterhin nicht auf Filialen, die bestückt werden wollen. Allerdings sollen die Laufzeiten kürzer werden und die Logistikkette immer transparenter. Der Kunde möchte seine Ware schnell, pünktlich und gerne in der Früh noch vor Geschäftsöffnung. Und er will jederzeit wissen, wo sich die Fracht befindet – verständlich, insbesondere bei den Kollektionen großer Marken, wo nicht selten ein kleines Vermögen auf der Kleiderstange des Transportfahrzeugs hängt. Derzeit werden von den Kunden in den Geschäften Bestellzeiten von maximal zwei Tagen gerade noch toleriert. Diese Zeitspanne wird sich aber weiter verringern.

Der Zukunft sieht das Duo Jahn und Tordy dennoch gelassen entgegen, denn das stabile Netzwerk und die Synergien, die sich daraus ergeben, sind innerhalb des ohnehin sehr kleinen Marktes ein Alleinstellungsmerkmal. Im Verbund der Fashionet Austria sind die Anteile zu 60 Prozent auf Gebrüder Weiss und zu 40 Prozent auf Lagermax verteilt, ein weiteres österreichisches Speditionsunternehmen und damit auf dem freien Markt ein Konkurrent. Im Textilbereich aber sind die beiden Logistiker Mitstreiter – und die Zusammenarbeit funktioniert, auch über flüchtige Moden und Trends hinweg.


Miriam Holzapfel ist Kulturwissenschaftlerin, Autorin und Redakteurin für den Atlas.

Karl Tordy (links) und Michael Jahn sehen der Zukunft gelassen entgegen
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